Volbert, R.; May, L.: Falsche Geständnisse in polizeilichen Vernehmungen – Vernehmungsfehler oder immanente Gefahr? – Gratisartikel aus R&P 1/2016
Im vorliegenden Beitrag wird die Rolle polizeilicher Vernehmungen beim Zustandekommen falscher Geständnisse diskutiert. Es wird argumentiert, dass polizeiliche Beschuldigtenvernehmungen per se eine suggestive Potenz aufweisen, da die Vernehmung von Beschuldigten nur dann erfolgt, wenn es Gründe für eine mögliche Täterschaft gibt. Die Vernehmung ist daher notwendigerweise mit einer gewissen Voreinstellung der Schuld verbunden, welche nachvollziehbarerweise nicht schon durch ein Abstreiten der Tat revidiert wird. Sind die Vernehmenden sich dieser suggestiven Struktur nicht bewusst, besteht bei ungünstigen Fallmerkmalen (uneindeutige Beweislage, Verdacht fällt auf unschuldige Beschuldigte, Beschuldigte machen Angaben) immanent die Gefahr, dass die Verdachtshypothese eine Tendenz zur Selbstbestätigung entwickelt und zutreffendes Zurückweisen des Tatvorwurfs als Leugnen missinterpretiert wird. Wird Geständnismotivierung als explizites Ziel polizeilicher Vernehmung gesehen, kann es passieren, dass vulnerable Beschuldigte in dieser Situation nachgeben und falsche Geständnisse ablegen. Audio oder Videoaufzeichnungen von Vernehmungen würden die Rekonstruktion von Vernehmungsumständen und ggf. die Identifizierung von falschen Geständnissen erlauben und zu dem die Erforschung unterschiedlicher Vernehmungsstrategien ermöglichen und so zu einer Qualitätssteigerung der Vernehmungspraxis beitragen.