Rothe, P.; Streb, J.; Speiser, O.; Nigel, S.; Schwarz, L.; Vasic, N.; Dudeck, M.; Franke, I.: Soziale und familiäre Belastungsfaktoren bei Maßregelvollzugspatienten – Einzelartikel aus R&P 2/2020

Thema der vorliegenden Arbeit ist der Zusammenhang zwischen sozialen und familiären Belastungsfaktoren und vier zentralen Diagnosegruppen (Abhängigkeitserkrankung, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörung und Intelligenzminderung) anhand einer retrospektiven Analyse von 270 Krankenakten der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Ulm am Bezirkskrankenhaus Günzburg. Etwa die Hälfte aller Patienten (49 %) erlebte in der Kindheit Gewalt (n = 120). Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung beschrieben signifikant häufiger, Opfer von physischer und sexueller Gewalt geworden zu sein. Patienten mit Intelligenzminderung wurden signifikant häufiger Opfer von physischer Gewalt und wuchsen häufiger zumindest zeitweise im Kinderheim auf. Die Mehrzahl der Patienten wuchs zumindest zeitweise bei beiden Eltern auf (n = 229; 86 %). Sowohl Patienten mit einer Abhängigkeitserkrankung als auch Patienten mit einer Schizophrenie wiesen eine störungsspezifische familiäre Belastung väterlicherseits auf und Straftäter mit einer Intelligenzminderung hatten häufiger Mütter mit einer Abhängigkeitserkrankung. Es bestand kein Zusammenhang zwischen der Diagnose eines Patienten und der Straffälligkeit eines Familienangehörigen. Es fanden sich signifikante Unterschiede zwischen den vier Diagnosegruppen in Bezug auf die untersuchten familiären und sozialen Belastungsfaktoren, wobei die Stichprobe überwiegend aus Patienten mit einer Suchterkrankung bestand, keine Frauen inkludiert wurden und die verwerteten Informationen teilweise auf Selbstauskunft der Patienten beruhten ...