Zinkler, Weinmann, von Peter, Aderhold: Ambulante Behandlungsweisungen – Einzelrtikel aus R&P 2/2024 (gratis)

Ambulante Behandlungsweisungen – kritische Erörterung der Wirksamkeit und rechtliche Einordnung im Hinblick auf eine menschrechtskonforme Reform der Versorgungsstrukturen
Aktuell wird in Baden-Württemberg die Einführung eines neuen Instrumentes, die »ambulante Behandlungsweisung« diskutiert, mit dem Ziel, Klinikaufenthalte zu vermeiden und das Risiko zu verringern, dass es zu Gewalt in der Psychiatrie kommt oder Betroffene Opfer von Gewalt außerhalb der Psychiatrie werden. Eine Behandlungsweisung schreibt einer Person die ambulante Einnahme einer Medikation, insbesondere Psychopharmaka, oder das Aufsuchen einer Behandlung vor. Das Nichteinhalten dieser Vorgabe kann dann – auch ohne Vorliegen einer aktuellen sogenannten »Fremd- oder Eigengefährdung« als Zulässigkeitsvoraussetzung – zu zwangsweiser stationärer Aufnahme und nachfolgend zu medikamentösen Zwangsmaßnahmen führen. Nach einer Diskussion der Daten zum Ausmaß von Zwang in der deutschen Psychiatrie und der Einordnung der Argumente für ambulante Behandlungsweisungen (im engl. Community Treatment Orders, CTOs) wird auf die begrenzte Evidenz zur Wirksamkeit dieses Instrumentes eingegangen: Klinikaufenthalte, Gewalt und andere unerwünschte Folgen konnten in den internationalen Studien im Vergleich zur freiwilligen gemeindepsychiatrischen Behandlung nicht verringert werden. Es wird die Rechtslage zu ambulanten Behandlungsweisungen skizziert und die intendierte Personengruppe beschrieben. Wir schlussfolgern, dass keine nachvollziehbaren Gründe für die Einführung der ambulanten Behandlungsweisung vorliegen. Vielmehr zeigen die Überlegungen die Notwendigkeit auf, die psychosozialen Versorgungsstrukturen in Gänze einer umfassenden Prüfung und grundlegenden Reform zu unterziehen.
    Schlüsselwörter: Versorgungsstrukturen, medikamentöse Zwangsbehandlung, ambulante Behandlungsweisungen, Zwangsbehandlung, Einwilligungsfähigkeit