Bezzel, Querengässer: Abstinenz: Orientierung, Hilfsmittel oder Voraussetzung für Legalbewährung? – Einzelartikel aus R&P 1/2023

Eine explorative Auswertung zum Konsumverhalten während und nach einer Unterbringung gem. § 64 StGB im bayerischen Maßregelvollzug
Bisher liegen nur wenige und undifferenzierte Befunde vor, wie Substanzkonsum während und nach einer Unterbringung gem. § 64 StGB mit der Legalbewährung nach Entlassung zusammenhängt. Insbesondere die Rolle der abstinenzorientierten Behandlung wurde in diesem Kontext noch nie kritisch beleuchtet. Die Fragestellung der vorliegenden Auswertung kreist um das Thema Abstinenzorientierung bzw. -voraussetzung für reguläre Therapieentlassung und Legalbewährung, um das Deliktgeschehen im Falle von Re-Delinquenz und um sekundär- bzw. tertiärpräventive Einflussmöglichkeiten. Das intramurale Konsumverhalten wird anhand der bayerischen Datensätze aus der Ergebnisqualitätserfassung des Instituts für Qualitätsmanagement des Maßregelvollzugs in Bayern (IfQM; N = 4.201) untersucht. Diese basieren auf Fremd- und Eigenangaben, Akteneinträgen, Fragebögen und Interviews. Zum 1-Jahres-Follow-up liegen Informationen zu 2.391 Untergebrachten mit einer Bewährungsentlassung vor, ergänzt um katamnestische Angaben von sog. Erledigern eines bayerischen Regierungsbezirkes (n = 340 mit 1-Jahres-Followup nach Haftentlassung). Die Auswertungen zum Konsum- und Legalbewährungsverhalten ehemaliger Patienten gem. § 64 StGB stellen explorative Hinweise dar, dass auch moderater bzw. reduzierter Konsum nicht per se legalprognostisch ungünstig ist. Die Ergebnisse ermuntern zu einer differenzierten Anwendung des Abstinenzbegriffes und zu einem bedürfnis- und fähigkeitsorientierten therapeutischen Vorgehen.
Schlüsselwörter: Abhängigkeitserkrankung, Therapieoutcome, Prävention, Straftäterbehandlung, forensische Psychiatrie