Tilly, Ch.: Arztsache – Streng vertraulich! – Einzelartikel aus SI 3/2022

Arztsache – Streng vertraulich!
»Patientin ist sehr ›gesprächsintensiv‹ und zeitaufwendig, aber sympathisch«, so endet ein handschriftlicher Arztbrief, der im Januar 1991 von einer Ärztin in einer neurologischen Klinik verfasst wurde und sich an eine niedergelassene Kollegin wendete. Die zuweisende Ärztin unterschrieb lediglich mit ihrem Vornamen und adressierte auch ihre Kollegin auf diese Weise. Statt »mit freundlichen Grüßen« schrieb sie »Viel Vergnügen!«. Ein derartiger Arztbrief ist heute, über dreißig Jahre später, in dieser Form wohl nicht mehr denkbar, weil sehr wahrscheinlich niemand mehr handschriftliche Notizen an Kolleg:innen senden würde. Inwiefern die Unmittelbarkeit des Handgeschriebenen eine Auswirkung auf den Inhalt gehabt haben mag, lässt sich nicht sagen. Der klassischen Form, die sich üblicherweise auch heute in Arztbriefen findet (oder finden sollte), folgt allerdings auch dieser Bericht. Dargelegt werden zunächst eine Kurzanamnese sowie der Behandlungsanlass, anschließend werden geplante weitere Behandlungsschritte aufgeführt. Mit der Auflistung der angesetzten Medikation endet der Bericht. Neben dem, was geschrieben wurde, ist aufschlussreich, wie es geschrieben wurde. In dem Blick auf das Wie wird eine weitere Ebene neben der Vermittlung von »Fakten« deutlich.
Autorin: Christiane Tilly