Huchzermeier, C.; Bruß, E.; Godt, N.; Aldenhoff, J.: Das Kieler Therapieprojekt für Gewaltstraftäter Standardisierte Eingangsuntersuchung zur intramuralen Psychotherapie – Einzelartikel aus R&P 3/2006

Nach § 9 des Strafvollzugsgesetz wird eine Zuweisung gefährlicher Straftäter zu psychotherapeutischen Maßnahmen vorgegeben, ohne dass die Zuweisungskriterien näher defi niert werden. Die vorliegende Arbeit berichtet über die standardisierte Eingangsdiagnostik des Kieler Therapieprojektes für Gewaltstraftäter, die eine empirische Entscheidungsbasis für die Indikationsstellung zur Psychotherapie liefert: Im Rahmen des diagnostischen Prozesses werden die intellektuelle Begabung, das Störungs- und Risikoprofi l sowie die Motivationslage mit international etablierten Instrumenten systematisch untersucht. Damit gelingt es, individuell die Kennwerte Therapiefähigkeit, Therapiebedürftigkeit und Therapiemotivation zu beschreiben und den Therapieein- oder -ausschluss rational zu begründen; so gewinnt die gesetzlich verankerte Vorgabe, gefährlicher Straftäter einer Psychotherapie zuzuführen, an Kontur. Die Ergebnisse des bisher untersuchten Kollektivs von 128 inhaftierten Gewaltstraftätern weisen ein hohes Ausmaß an psychischen Störungen und damit einen prinzipiell großen Therapiebedarf nach. Außerdem stellen die Untersuchungsergebnisse auch einen Beitrag zur Prävalenzforschung unter inhaftierten Straftätern dar: Eine hohe Prävalenz an Persönlichkeitsstörungen bei inhaftierten Gewaltstraftätern (ca. 60 %) ließ sich wie in ähnlichen Studien zuvor bestätigen, erstmals in Deutschland wurde nachgewiesen, dass sich in einer Gefangenstichprobe auch häufi g Psychopathien n. Hare (ca. 23 %) fi nden. Hohe Prävalenzen fanden sich auch für Suchterkrankungen: ca. 80 % der Untersuchten wiesen ein Alkoholproblem auf, ca. 18 % zeigten eine Polytoxikomanie. ...