Gahr, M.; Spitzer, M.: Probleme einer psychiatrischen Versorgung ohne Zwang: Krankenhaus oder Gefängnis? – Einzelartikel aus R&P 3/2020

In diesem Beitrag werden Probleme eines psychiatrischen Versorgungskonzepts diskutiert, das gänzlich auf die Anwendung von Zwang verzichtet (wie beschrieben von Zinkler und von Peter in R&P 2019, 37: 203–209). Abgesehen von den erheblichen organisatorischen, personellen und ökonomischen Problemen, die bei der Implementierung eines derartigen Versorgungskonzepts gelöst werden müssten, sind wir insbesondere durch die in diesem Versorgungskonzept implizite Fortdauer des Polizeigewahrsams bei Personen besorgt, die eine psychiatrische/psychosoziale Versorgung ablehnen, jedoch eine akute psychische Störung aufweisen, die mit erheblichem und fortdauerndem gewalttätigem Verhalten mit Eigen- und/oder Fremdgefährdung assoziiert ist. Aus unserer Sicht ist es ethisch fragwürdig, Personen mit psychischen Störungen und spezifischen Gefährdungsmerkmalen eine potenziell erfolgreiche Behandlung kategorisch vorzuenthalten und stattdessen eine möglicherweise länger dauernde polizeiliche freiheitsentziehende Maßnahme zu akzeptieren, nur weil diese die Behandlung ablehnen. Zahlreiche zentrale Fragen im Zusammenhang der Versorgung von Personen mit psychischen Störungen bleiben in einem derartigen psychiatrischen Versorgungskonzept ungeklärt.