Wertz, Hausam, Konrad, Schiltz, Imhoff, Rettenberger: Qualität von Schuldfähigkeitsgutachten – Einzelartikel aus R&P 4/2021

Mindestanforderungen, unterbringungsrelevante Gefährlichkeitsprognose und Berücksichtigung im richterlichen Urteil
Schuldfähigkeitsgutachten ziehen das öffentliche Interesse auf sich, da sie als Grundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen einer freiheitsentziehenden Maßregel dienen. Die Forschungsliteratur verweist auf eine heterogene Gutachtenqualität in der Praxis. Seit der Veröffentlichung von Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten einer interdisziplinären Arbeitsgruppe in 2007 liegen bislang nur wenige empirische Belege darüber vor, ob und in welcher Form diese auch in der Praxis umgesetzt werden. In der vorliegenden Studie wurde die Umsetzung der Mindestanforderungen und Gefährlichkeitsprognose in 230 Schuldfähigkeitsgutachten in Abhängigkeit des Erstellungszeitpunktes (vor bzw. nach der Publikation der Mindestanforde-rungen) analysiert. Zudem lagen für eine Teilstichprobe (n = 136) Auskünfte über die Verfahrensausgänge vor und konnten hinsichtlich der Berücksichtigung der sachverständigen Befunde im Urteil untersucht werden. Es zeigte sich eine zunehmende Umsetzung der Mindestanforderungen in der gutachterlichen Praxis im Zeitverlauf. Die Gefährlichkeitsprognose zur Frage der Unterbringung im Maßregelvollzug sowie die Berücksichtigung gutachterlicher Befunde im Urteil stellen sich hingegen nach wie vor äußerst heterogen dar. Die Ergebnisse sprechen einerseits für einen (Teil-)Erfolg, andererseits verdeutlichen sie weiteren Handlungsbedarf im Hinblick auf die Qualitätssicherung bei der Erstellung von Schuldfähigkeitsgutachten.
Schlüsselwörter: Qualitätssicherung, Schuldfähigkeitsgutachten, Mindestanforderungen, Gefährlichkeitsprognose, Gerichtsurteile