Voulgaris, Eigner, Seidel, Opitz-Welke, Konrad, Krebs: Fremdaggressives Verhalten bei Patienten mit einer Schizophrenie-Spektrum-Störung in der Gefängnispsychiatrie – Einzelartikel aus R&P 4/2022

Aggressives Verhalten kann als kontextabhängiges, komplexes soziales Phänomen verstanden werden. Der Literatur zufolge ist dabei das Risiko für aggressives Verhalten bei Menschen, die an einer Schizophrenie-Spektrum-Störung erkrankt sind, erhöht. Studien über gewalttätiges Verhalten bei dieser Gruppe unter Haftbedingungen sind selten. Um diese Gruppe spezifischer zu charakterisieren, wurde in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Berliner Justizvollzugskrankenhauses eine Datenbank im Hinblick auf aggressives Verhalten angelegt. Es wurden 225 Behandlungsepisoden eingeschlossen und retrospektiv ausgewertet, wovon in 118 Fällen gewalttätiges Verhalten dokumentiert wurde. Ein höheres Lebensalter, die deutsche Staatsangehörigkeit, das Vorliegen von früheren Gewaltstraftaten und eine antipsychotische oder antidepressive Behandlung in den sechs Monaten vor der stationären Aufnahme hatten tendenziell einen protektiven Effekt auf das Auftreten von aggressivem Verhalten während der stationären Behandlung im Gefängniskrankenhaus. Alkohol- und Drogenkonsumstörungen waren in der Rückschau tendenziell Risikofaktoren für fremdaggressives Verhalten. Damit decken sich die Ergebnisse in dieser Gefängnispsychiatriepopulation überwiegend mit den in der Literatur beschriebenen Risikofaktoren. Aus diesen Ergebnissen lässt sich ableiten, dass die Optimierung der (psychopharmakologischen) Therapieverfügbarkeit und eine Spezialisierung auf Patientengruppen mit einer komorbiden Substanzkonsumstörung gewaltpräventiv wirken könnte.
Schlüsselwörter: Gewalt, aggressives Verhalten, Gefängnis, Schizophrenie-Spektrum-Störung