Schlotthauer, Yundina: Causa finita: Der Einfluss von Vorstrafen auf gerichtliche Entscheidungen – Einzelartikel aus R&P 2/2023

Die Vorstrafen der/des Angeklagten stellen im Hinblick auf das Schuldurteil grundsätzlich ein extra-legales Merkmal dar, d. h. ein Kriterium, das für diese Entscheidung irrelevant und zudem gesetzlich unzulässig ist. Seit Jahrzehnten befasst sich die rechtspsychologische Forschung mit dieser Thematik, wobei jedoch, bedingt durch die Forschung im anglo-amerikanischen Raum mit seinem Jurysystem, meist Laien als Versuchspersonen herangezogen wurden. Anhand einer Stichprobe von deutschen Richter/-innen und Staatsanwälte/-innen wird dieser Frage in diesem Artikel nachgegangen. Auch wird u. a. der Einfluss theoretischer und praktischer Kenntnisse aussagepsychologischer Methodik auf die Glaubhaftigkeitsbeurteilung einer Aussage sowie auf die Verurteilungswahrscheinlichkeit betrachtet. Die Ergebnisse zeigen u. a., dass die strafrechtliche Vorgeschichte Einfluss auf die Verurteilungswahrscheinlichkeit hat. Für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung sind u. a. Beruf und theoretische Kenntnisse aussagepsychologischer Methodik relevant. Bezüglich Letzterer wäre es für künftige Forschung interessant, deren korrekte Anwendung durch die genannten Entscheidungsträger zu prüfen. Für die juristische Praxis könnte überlegt werden, die Glaubhaftigkeitsbeurteilung stärker in die Ausbildung einzubeziehen.
Schlüsselwörter: gerichtliche Entscheidungen, extra-legale Merkmale, Vorstrafen, Schuldurteil, juristische Urteilsbildung