Gehrmann, J.: Begutachtungen im Sorge- und Umgangsrecht Aktuelle Herausforderungen aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht – Einzelartikel aus R&P 2/2008
Das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 1. Juli 1998 mit seinem Primat eines gemeinsamen elterlichen Sorgerechts, eines regelmäßigen Umgangs mit beiden Elternteilen und seiner strikten Orientierung am Kindeswohl als Maßstab von Entscheidungen stellt Kinder, Eltern, Richter und Gutachter vor besondere Herausforderungen. Loyalitätskonflikte als Konsequenz einer Trennung der Eltern sind für die Kinder grundsätzlich nicht zu vermeiden, können aber durch eine verbindliche Kooperation der Eltern auf ein erträgliches Maß minimiert werden. Dem ärztlichen bzw. psychologischen Gutachter kommt eine hohe Verantwortung in einer präzisen Erfassung der Erziehungs- und Förderkompetenzen, der Bindungstoleranz und Beziehungsdynamik der Eltern zu. Hausbesuche sind nach den Erfahrungen des Verfassers nicht nur bei Verdachtsmomenten auf eine akute Kindeswohlgefährdung, sondern auch zur Interaktionsbeobachtung zu empfehlen. Projektive Testverfahren sollten mit Vorsicht interpretiert werden.