Schanda, H.: Die aktuelle Psychiatriegesetzgebung in Österreich: Zivil- und Strafrecht aus psychiatrischer Sicht – Einzelartikel aus R&P 4/2005

Die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in sämtlichen Ländern der westlichen Welt im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen einsetzenden Psychiatriereformen machten die Neuformulierung einschlägiger zivil- und strafrechtlicher Bestimmungen erforderlich. In Österreich erfolgte diese Entwicklung relativ spät. Zivilrecht: 1984 wurde die Entmündigungsordnung vom differenzierten, individuelle Defizite in größerem Ausmaß berücksichtigenden Sachwalterrecht abgelöst. Das 1991 in Kraft getretene neue Unterbringungsrecht definierte die Kriterien für eine unfreiwillige stationäre Behandlung restriktiver, stellte den Patienten Rechtsvertreter zur Seite und sorgte für mehr Transparenz im Verfahren. Strafrecht: Im Falle einer im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit verübten Straftat, die mit einer Strafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, wird ein psychisch Kranker nach seit 1975 geltendem österreichischen Recht exkulpiert, jedoch bei Vorliegen einer ungünstigen krankheitsbedingten Gefährlichkeitsprognose auf unbestimmte Zeit in die so genannte vorbeugende Maßnahme eingewiesen (§ 21/1 StGB). Der Begriff der verminderten Zurechnungsfähigkeit existiert im österreichischen Recht nicht. ...