Krebs, Konrad: Medikamentöse Zwangsbehandlungen im Justizvollzug – eine empirische Bestandsaufnahme – Einzelartikel aus R&P 4/2022

Jede Behandlung gegen den »natürlichen Patientenwillen« stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person dar, weswegen medizinische Zwangsbehandlungen bei psychisch erkrankten Menschen nur in engen Grenzen zulässig sind. Daten zu Patient:innen aus einer Gefängnispopulation stehen aus Deutschland bislang nicht zur Verfügung. Ziel dieser Studie war es, im Rahmen einer Vollerhebung den Anteil an medikamentösen Zwangsbehandlungsmaßnahmen in einer psychiatrischen Gefängnispopulation zu untersuchen (Jahre 2017 bis 2021, n = 16). Es zeigten sich dabei Unterschiede in Bezug auf die gebildeten Gruppen (Notfallmedikation versus behördlich genehmigte medikamentöse Zwangsbehandlung), wobei nicht alle zu genehmigenden medikamentösen Zwangsbehandlungen auch durchgeführt wurden. Wesentliche Unterschiede in den Gruppen zeigten sich in Bezug auf die Behandlungsdauer, die Art der Haft und den Anteil an Körperverletzungsdelikten. In der Gruppe der Personen, die eine Notfallmedikation erhielten, waren viele Personen mit einer Ersatzfreiheitsstrafe und die Behandlungsdauer war deutlich kürzer. In der anderen Gruppe war der Anteil an Körperverletzungsdelikten höher und sie befanden sich häufiger in Strafhaft. In Bezug auf die Häufigkeit weist die Untersuchung darauf hin, dass sich der Anteil an medikamentösen Zwangsbehandlungen im Vergleich zur Allgemeinpsychiatrie und zum Maßregelvollzug höher ist. Auch nahmen die medikamentösen Zwangsbehandlungen, insbesondere die Anzahl der angewendeten Notfallmedikationen, die in den ersten Untersuchungsjahren den Hauptanteil ausmachten, in den letzten Jahren ab. Damit zeigt sich ein ähnlicher Trend wie in der Allgemeinpsychiatrie.
Schlüsselwörter: Gefängnis, psychische Erkrankung, medikamentöse Zwangsbehandlung, Einwilligungsfähigkeit