Tatjes, Borchard: Die Anwendung und der Nutzen strukturierter Verfahren – Einzelartikel aus R&P 4/2021

Ein empirischer Blick in die forensische Praxis
Der Beitrag befasst sich mit der Anwendung und dem Nutzen strukturierter Verfahren in der forensischen Praxis. Anhand der Daten einer im Frühjahr 2019 in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführten Erhebung werden die Fragen beantwortet, auf welche strukturierten Verfahren bei Gewalt- und Sexualdelikten zurückgegriffen wird, in wie vielen Fällen sie Anwendung finden und wie sie für die Anwendungsbereiche Risikoeinschätzung, Interventionsplanung und Verlaufsbeurteilung eingesetzt werden. Zudem wird untersucht, ob sich spezifische Nutzungsmuster identifizieren lassen und in welchen Bereichen Optimierungs- oder Entwicklungsbedarf gesehen wird. Zudem wird anhand ausgewählter Individualstatements ein Einblick in den therapeutischen und gutachterlichen Alltag ermöglicht. Der Befund einer verbreiteten Nutzung, einer hohen empfundenen Nützlichkeit sowie einer insgesamt stimmigen und konsistenten Anwendung vermittelt in der Breite ein positives Bild. Allerdings offenbart der Blick in die forensische Praxis Handlungsbedarf bezüglich der korrekten Verfahrensauswahl, der Orientierung an und Einhaltung von theoretischen und empirisch abgesicherten Prämissen der Verfahrensnutzung sowie institutioneller und individueller Ressourcenverwendung.
    Schlüsselwörter: Risikoeinschätzung, Interventionsplanung, Verlaufsbeurteilung, strukturierte Verfahren, forensische Praxis