Ochs: Erleben und Bedarfe von Angehörigen in forensisch psychiatrischen Kliniken – Einzelartikel aus R&P 2/2022

»Wir brauchen was zum Herz ausschütten«
Angehörige von Menschen in forensisch-psychiatrischer Unterbringung sind aufgrund des delinquenten Verhaltens ihrer Familienmitglieder sowie der intransparenten psychiatrischen und juristischen Systeme starken Belastungen ausgesetzt. Der aktuelle Forschungsstand macht allerdings deutlich, dass sie selbst wenig einbezogen oder unterstützt werden und eher als zusätzliche Ressourcen von Patient*innen in den Fokus rücken und selten als Bedarfsgruppe mit eigenen Anliegen. Diesem Desiderat wurde in der vorliegenden Studie begegnet. Wie die Angehörigen von Menschen in forensisch-psychiatrischer Behandlung die Unterbringung erleben, wurde durch zwei Gruppendiskussion (N = 15) erfasst und mittels dokumentarischer Methode qualitativ ausgewertet und systematisiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die forensische Unterbringung eine große Belastung für die Angehörigen darstellt und sich auf deren (Alltags-)Leben auswirkt. Die forensische Behandlung der Familienmitglieder wird zwar als notwendig, gleichzeitig jedoch als einschränkend erlebt. Das Verhältnis zwischen forensischen Kliniken und Angehörigen wird als misstrauend und asymmetrisch beschrieben, weshalb aufseiten der Angehörigen Ohnmacht und Desorientierung dominieren. Daraus ergibt sich, dass forensische Kliniken die Angehörigenkontakte mit einer erhöhten Sensibilität gestalten und passende Unter-stützungsangebote bereithalten sollten. Insbesondere konnte die Klinische Sozialarbeit als bedeutsame Disziplin für eine verbesserte Angehörigenarbeit identifiziert werden.
Schlüsselwörter: Forensische Psychiatrie, Angehörigenarbeit, Klinische Sozialarbeit, dokumentarische Methode, Gruppendiskussion