Harsch, S.; Keller, F.; Jockusch, U.: Vergleichende Studie von Sexualstraftätern im Strafvollzug und in der forensischen Psychiatrie – Einzelartikel aus R&P 1/2006
Vor dem Hintergrund der Diskussion um Fehleinweisungen wird untersucht, ob sich Sexualstraftäter im Strafvollzug und Sexualstraftäter im Maßregelvollzug nach § 63 StGB hinsichtlich biografischer, kriminologischer und psychopathologischer Merkmale, die die Schuldfähigkeit und Prognose tangieren, voneinander unterscheiden. Insgesamt nahmen 40 nach § 63 StGB im Maßregelvollzug und 30 im Strafvollzug von Baden-Württemberg untergebrachte Sexualstraftäter an der Studie teil. In beiden Gruppen ergab sich eine hohe Gesamtprävalenz von Achse I-Störungen, vornehmlich Substanzmissbrauch/-abhängigkeit. Bei den Maßregelpatienten fanden sich mehr Paraphilien und Persönlichkeitsstörungen sowie ein geringeres psychosoziales Funktionsniveau. Außerdem wiesen sie häufiger Kriterien einer gestörten Sozialisation auf und hatten eine höhere einschlägige Vorstrafenbelastung. Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass Sexualstraftäter, bei denen eine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, psychopathologisch auffälliger sind und häufiger biografische und kriminologische Risikofaktoren aufweisen. Es zeigt sich aber auch, dass ein erheblicher Teil der im Strafvollzug untergebrachten Sexualstraftäter psychische Störungen und Persönlichkeitsstörungen aufweist. Empfohlen wird bei allen Sexualstraftätern unabhängig von der Art der verhängten Sanktion eine differenzierte Erhebung der Psychopathologie mit Hinweisen zu Interventionsplanungen im Vollzug. ...