Recht & Psychiatrie 4/2021 komplett

19,90 
DOI:
DOI: 10.1486/RP-2021-01_0
Der erste Beitrag von Wertz/Hausam/Konrad/Schiltz/Imhoff/Rettenberger geht der Qualität von Schuldfähigkeitsgutachten nach und beleuchtet die Frage, ob sich diese nach Veröffentlichung der Mindestanforderungen verbessert hat. In der Studie wurde die Umsetzung der Mindestanforderungen und Gefährlichkeitsprognosen in 230 Schuldfähigkeitsgutachten in Abhängigkeit des Erstellungszeitpunkts analysiert. Für eine Teilstichprobe (n=136) lagen zudem Auskünfte über Verfahrensausgänge vor, die in die Bewertung mit einfließen konnte. Im Ergebnis ließ sich eine zunehmende Umsetzung der Mindestanforderungen in der gutachterlichen Praxis im Zeitverlauf feststellen. Dagegen stellten sich die Gefährlichkeitsprognosen zur Frage der Unterbringung im Maßregelvollzug sowie die Berücksichtigung gutachterlicher Befunde im Urteil nach wie vor äußerst heterogen dar.
Im zweiten Aufsatz stellen Eher/Domany/Etzler/Rettenberger die kombinierte Anwendung statischer und dynamischer Risikofaktoren bei Sexualstraftätern vor. In einer Stichprobe von n=710 Sexualstraftätern wurden fünf kombinierte Static-99/Stable-2007 Risiko/Bedürfnislevel-Kategorien gebildet und auf ihre prädiktive Validität hin untersucht. Dabei wiesen die kombinierten Risikokategorien eine bessere Vorhersageleistung hinsichtlich neuerlicher Sexualdelikte auf, als die Instrumente allein.
Tatjes/Borchard befassen sich in ihrem Beitrag mit der Anwendung und dem Nutzen strukturierter Verfahren in der forensischen Praxis. Hierzu wurden im Frühjahr 2019 in Deutschland, Österreich und der Schweiz Daten erhoben. Es wurde festgestellt, dass strukturierte Verfahren bei Gewalt- und Sexualdelikten in der Nutzung sehr verbreitet sind, eine hohe Nützlichkeit dieser Verfahren empfunden wird und die insgesamt stimmige und konsistente Anwendung insgesamt ein positives Bild vermittelt. Handlungsbedarf wird allerdings bezüglich der konkreten Verfahrensauswahl, der Orientierung an und Einhaltung von theoretischen und empirisch abgesicherten Prämissen der Verfahrensnutzung sowie institutioneller und individueller Ressourcenverwendung gesehen.
Der letzte Beitrag von Brücker unter dem Titel „Historisch-politische Aspekte der aktuellen Debatte zur Vermeidung von Zwang in der Psychiatrie“ kommentiert die gegenwärtige Debatte aus einem psychiatrisch-historischen Blickwinkel. Im Mittelpunkt stehen typische historische Konstellationen von Akteuren und ihren Argumenten zum Unterbringungsrecht.
Über diese diversen Beiträge hinaus werden weitere Dokumente aus der einschlägigen Rechtsprechung veröffentlicht. Schließlich folgen Rezensionen und Veranstaltungshinweise.