Kirchmann-Kallas, Riedemann: Risikofaktoren und Bedürfnisse in der Behandlung verschiedener Straftätergruppen im Maßregelvollzug gemäß § 64 Strafgesetzbuch (StGB) – Einzelartikel aus R&P 3/2023

In aktuellen Studien deutet sich an, dass sich verschiedene Straftätergruppen in der Unterbringung gemäß § 64 StGB in ihrem Behandlungsbedarf unterscheiden, über detaillierte testdiagnostische Unterschiede wurde hingegen noch nicht berichtet. Für die Therapieplanung und die Zusammenstellung verschiedener Gruppenangebote ist es unerlässlich, strukturiert und umfassend auf aktueller wissenschaftlicher Basis alle Ressourcen und Defizite der zu Behandelnden zu ermitteln. In der vorliegenden Studie wurde im Fachkrankenhaus des Maßregelvollzuges Niedersachsen, Bad Rehburg überprüft, wie häufig welche Straftaten die Grundlage der Unterbringung darstellen und wie sich die vier Straftätergruppen mit der höchsten Prävalenz in ihren Risikofaktoren, dem Vorliegen von psychopathischen Persönlichkeitsmerkmalen und ihrer Intelligenz unterscheiden. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Patienten der Gruppe der Betäubungsmitteldelikte im Mittel die geringsten Risikofaktoren und die geringste Ausprägung psychopathischer Persönlichkeitsmerkmale aufweisen, wogegen für die Gruppe der Eigentumsdelikte ohne Gewalt Entgegengesetztes nachgewiesen werden konnte. Signifikante Unterschiede im Intelligenzquotienten konnten nicht nachgewiesen werden. Trotz der Limitation durch die vergleichsweise kleine Stichprobe, die an nur einem Standort erhoben wurde, scheinen die Ergebnisse im Einklang mit bisherigen Studien zu stehen. Im Ausblick sollten die Implikationen dieser Ergebnisse in der Praxis bei der Abwägung von Therapiebedarf, -anreiz und -dauer auch berücksichtigt werden und die strukturierte Diagnostik im erkennenden Verfahren und bei Aufnahme weiter in den Fokus gestellt werden.
Schlüsselwörter: LSI-R, PCL-R, Begutachtung, forensisch psychiatrische Behandlung, Eingangsdiagnostik, § 64 StGB