Brunner, F.; Müller, J.; Vogel, S.; Briken, P.: Evaluation von operationalisierten Kriterien zur Schuldfähigkeitsbeurteilung bei paraphiler Störung – Einzelartikel aus R&P 4/2016

Trotz der hohen rechtlichen Bedeutung von Sachverständigengutachten bei Sexualstraftätern lassen die Beurteilungskriterien viel subjektiven Spielraum. Um gegebenenfalls die Fortschritte standardisierter Prognoseverfahren auch für die Schuldfähigkeitsbegutachtung nutzbar zu machen, haben Briken und Müller (2014) für Studienzwecke vorgeschlagen, operationalisierte Kriterien aus etablierten Prognoseinstrumenten zur Einschätzung der Schuldfähigkeit von Sexualstraftätern mit paraphiler Störung zu verwenden. Ein langfristiges Ziel ist, den Begutachtungsprozess transparenter und nachvollziehbarer zu gestalten. In Pilotstudie 1 werden die vorgeschlagenen Kriterien erstmals auf ihre Anwend- barkeit und Reliabilität anhand von anonymisierten Gutachtenauszügen untersucht. Neben der Inter-Rater-Reliabilität-Berechnung für alle Kriterien sowie für die Einschätzung von schwerer anderer seelischer Abartigkeit (SASA) und Steuerungsfähigkeit wird das Ergebnis der Rater mit dem Ergebnis des mit dem Gutachten beauftragten Sachverständigen verglichen. Aufgrund der unzureichenden Ergebnisse von Pilotstudie 1 wurden das Vorgehen und die Kriterien überarbeitet und in einer zweiten Pilotstudie überprüft. Die Anwendbarkeit des vorgeschlagenen Vorgehens konnte nach Überarbeitungen verbessert werden. Insgesamt sprechen die Ergebnisse der beiden Pilotstudien dafür, dass die Kriterien für die Einschätzung der Schuldfähigkeit von Sexualstraftätern hilfreich sein könnten.