Traub, H.-J.: Werden Täter mit pädosexuellen Delikten psychisch gesünder? – Einzelartikel aus R&P 3/2020

Für den Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB stellen die Patienten mit pädosexuellen Delikten eine besondere Herausforderung dar. In der Öffentlichkeit wird eine unverändert hohe Anzahl an entsprechenden Delikten wahrgenommen. Die Anzahl der Neuanordnungen dieser Patienten in den § 63 StGB geht in Baden-Württemberg hingegen seit über zwanzig Jahren zurück. Verläuft diese regionale Entwicklung ähnlich in anderen Bundesländern? Werden Patienten mit pädosexuellen Delikten möglicherweise in den Strafvollzug »begutachtet«? Für einen Überblick zur Datenlage in Deutschland werden alle juristischen Neuanordnungen in den § 63 StGB wegen pädosexueller Delikte von 1995–2015 untersucht. Datengrundlage sind die Standardisierten Off-Site-Files der Strafverfolgungsstatistik (EVAS 24311) des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Landesämter. Es wird der Stand der Jahre 2010–2015 für Deutschland (n = 290) beschrieben sowie die Entwicklung von 1995–2015 (n = 1.169) für die alten Bundesländer. Zum Vergleich mit dem Strafvollzug werden alle erheblichen pädosexuellen Delikte ab einer Verurteilung zu zwei Jahren Haft einschließlich anderen Maßregeln (n = 3.006 bzw. n = 9.549) herangezogen. Es erfolgte eine deskriptive Auswertung und für die Gruppenvergleiche eine Umrechnung in Prozentangaben. Die längerfristige Entwicklung wird über lineare bzw. polynome Annäherungsfunktionen beschrieben. Die Anzahl der juristisch abgeurteilten erheblichen pädosexuellen Delikte insgesamt hat sich nach einem Maximum um das Jahr 2005 im Vergleich zum Stand von 1995 verringert. Der relative Anteil der Neuanordnungen in den § 63 StGB geht dabei kontinuierlich um etwa die Hälfte zurück. Die Inzidenzraten der einzelnen Bundesländer folgen diesem Trend. Die Veränderung der Fallmerkmale deutet darauf hin, dass dabei die Anordnung des § 63 StGB für diese Delinquenten zunehmend zielgerichteter und spezifischer verläuft. Trotz der abnehmenden Fallzahlen kann tatsächlich von einer Verschiebung der Patienten mit pädosexuellen Delikten in den Strafvollzug ausgegangen werden. Dieser Trend scheint aber deutlich von einem regionalen, gutachterlich-juristischen Stil ja nach Bundesland moderiert werden zu können.